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Expertenwissen schadet nicht

Ein weiteres Lehrstück über Ursache und Wirkung. Vor dem Hintergrund der Corona-Krise und 20 Jahre EEG. Wie geht es weiter beim Klimaschutz?

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Expertenwissen schadet nicht

Ein weiteres Lehrstück über Ursache und Wirkung. Vor dem Hintergrund der Corona-Krise und 20 Jahre EEG. Wie geht es weiter beim Klimaschutz?

Ubbo de Witt, geschäftsführender Gesellschafter

Robert Koch und Louis Pasteur, diese Namen verbinden wir noch heute mit erfolgreicher Grundlagenforschung, darauf aufbauenden Analysen und möglicher Heilung. Bevor es im 19. Jahrhundert gelang Erreger infektiöser Krankheiten außerhalb von Organismen zu kultivieren und daraus mögliche Therapien zu entwickeln, wurden mit teilweise primitiven Mitteln zunächst Fortschritte beim Sterblichkeitsrisiko durch Infektionen mit einer Frühform der Impfung gegen Viruserkrankungen, der sog. Variolation, nachgewiesen. Die Technik, so wird heute vermutet, wurde zum Beginn des zweiten Jahrtausends in Zentralasien entwickelt. Erkrankten Personen wurde aus Pusteln infektiöses Material entnommen und gesunden Personen durch kleine Wunden eingebracht.

Mit Beginn des 17. Jahrhunderts, nachdem in England zunächst sechs Sträflinge und Waisenkinder das Experiment überlebt hatten, wurde auch Katharina die Große auf diese Weise geimpft.

Heute wird unser Leben wieder eingeschränkt, nunmehr durch einen Erreger aus Asien, das Corona-Virus (SARS-CoV-2), und die Aussagen und Prognosen von Virologen bestimmen die Entscheidungsgrundlagen unserer Politik und damit unseren Alltag. Haben wir nicht rechtzeitig genug darüber nachgedacht, ob Schildkröteneier, Fleisch, geriebene Nashörner oder andere exotische Tiere und Neigungen als Potenz- und Heilmittel zunächst Opfer dieser besonderen Nachfrage und dann wir Opfer dieser Mythen und exotischen Begierden werden?

Zehntausende Tote sorgen weltweit für einen Stillstand der Normalität.

Katastrophale Unfälle, wie 2011 die japanische Nuklearkatastrophe von Fukushima, oder Naturkatastrophen wie die Tsunami-Katastrophe am Indischen Ozean 2004, oder die Klimakrise brennen sich zwar in unser kollektives Gedächtnis ein. Gleichzeitig werden schmerzliche Erlebnisse, ein Abwehrmechanismus unseres Bewusstseins, jedoch verdrängt, als unnötiger Ballast ausgeblendet und oft gedanklich zurückgelassen. Vielleicht ein sinnvolles Ergebnis unserer Evolution, traumatische Erlebnisse aus unserem aktiven Bewusstsein zu verbannen.

Alexander von Humboldt, diesen Namen verbinden wir mit Natur(er)forschung, er sammelte auf seinen Reisen Wissen und Daten an. Im Sinne der Aufklärung glaubte er, dass „wir durch Wissenschaft und Technik ein besseres Leben haben werden und dass das Gemeinwohl gefördert wird¹“. Preußische Ideale und der Umweltaktivismus einer Greta Thunberg hätten wohl nicht zusammengepasst, aber vielleicht die gemeinsame moralische Verantwortung etwas tun zu müssen.

Der Klimawandel ist natürlich, anders als die aktuell akute Corona-Krise, ein über Jahrzehnte „schleichender Prozess“. Wissenschaftler warnen gleichwohl seit vielen Jahren vor den „drastischen Konsequenzen“. Das 1988 von der UN eingerichtete Expertengremium Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) dokumentiert die wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber, wie sich - je nach Entwicklung der Treibhausgas-Emissionen - das Klima verändern wird. Völkerrechtlich verbindlich, jedoch auf vielen Konferenzen weiterhin nicht verbindlich, und wie von den Wissenschaftlern gefordert „unverzüglich umzusetzen“.

„Die Zukunft hat schon begonnen“, schreibt Robert Jungk über „Amerikas Allmacht und Ohnmacht“ bereits in den Sechzigerjahren. „Das Morgen ist schon im Heute vorhanden, aber es maskiert sich noch als harmlos, es tarnt und entlarvt sich hinter dem Gewohnten“. 

Der Oldenburger Mathematiker Prof. Dr. Wolfgang Ebenhöh² hat gemeinsam mit Geowissenschaftlern und Geographen im Rahmen des Forschungsprogramms „Klimaänderung und Küste“ bereits Anfang der Neunzigerjahre berechnet, wie das globale Klimasystem nach „physikalischem Ermessen reagieren wird“. Die Küstenzonen, aus globaler Sicht die am dichtesten besiedelten Gebiete, sind durch den Klimaumschwung „mit den größten Risiken bedroht“.

Hermann Scheer, ein „sozialdemokratischer 68er³“, Visionär seiner Zeit, sah frühzeitig die Bedeutung der Erneuerbaren Energien in diesem Zusammenhang, die soziale und gesellschaftspolitische Dimension. Gemeinsam mit der „Mutter des Erneuerbare-Energie-Gesetzes“ (EEG), Michaele Hustedt, im Bundestag für Die Grünen, waren „die Väter“ Hermann Scheer, Hans-Josef Fell und der Oldenburger Dietmar Schütz seit dem Stromeinspeisegesetz (StromEinspG) aus 1990 an der Entstehung des EEG vor nunmehr 20 Jahren beteiligt.

Die Klimaschutz- und Energieerklärer, nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl auch langjährig damit beschäftigt der Gesellschaft ein Ausstiegsszenario aus der Atomkraft zu vermitteln, und wie wir diese durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien ersetzen, waren noch von ihren Visionen angetrieben. Die Mehrheit der Wirtschaftspolitiker der sogenannten Volksparteien CDU, CSU und der SPD hat langjährig versucht der wirtschaftlichen Bedeutung der Erneuerbaren Energien für unsere Region, nicht nur für den Umwelt-, Küsten- und Klimaschutz die Notwendigkeit abzusprechen, gefangen in den veralteten Strukturen der Kohleförderung und erdölbasierten Technologien.  

In der Corona-Krise wird uns jetzt aufgezeigt, dass der gesellschaftliche Konsens zum Erreichen der klimapolitisch notwendigen Ziele noch in weiten Teilen der Politik und der Bevölkerung fehlt. Die Bundesregierung kommuniziert in ihrem „Klimaschutzprogramm 2030⁴“ das die Bürgerinnen und Bürger „möglichst zum Klimaschutz motiviert“ werden sollen. Müssen wir nicht auch hier, wie seit vielen Jahren von den Experten gefordert, handeln und das Notwendige tun, bevor uns auch hier weitere Ereignisse mit katastrophalen Auswirkungen zu drastischen Maßnahmen zwingen?

Vor dem Hintergrund des 20-jährigen Jubiläums des EEG, und tagesaktuellen Anteilen an der Stromerzeugung in Deutschland⁵ von über 70 %, wäre ein positiver Lerneffekt der aktuellen Krise auch hier auf das Expertenwissen zu hören, rechtzeitig! Und die notwendigen Entscheidungen zur Weiterentwicklung des EEG, der Elektromobilität, der Sektorenkopplung, der CO2-Bepreisung mit mehr Energie voranzutreiben.



¹ https://www.deutschlandfunkkultur.de/naturforscher-schon-alexander-von-humboldt-widmete-sich.976.de.html?dram:article_id=453016

² http://www.presse.uni-oldenburg.de/einblicke/22/klima.htm

³ https://taz.de/!372015/

⁴ https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/klimaschutzprogramm-2030-1673578

⁵ https://www.energy-charts.de/energy_pie_de.htm?year=2020&month=2&day=9

 

 

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