Die Geschichte der Öl- und Gaspreise folgt seit Jahrzehnten einer goldenen Regel: „what goes down must come up!“
Aktuell fällt der Ölpreis wieder einmal unter 50 US$. Es stellt sich erneut die Frage der Notwendigkeiten: sind die Alternativen doch nicht so schnell erforderlich, oder steht die Welt wegen der Energiefrage weiter vor großen Auseinandersetzungen und Turbulenzen?
Einige Länder der Europäischen Union würden vor großen Problemen stehen, sollte das Gas nicht mehr aus russischen Pipelines strömen. Die EU-Kommission stellte 2014 die Ergebnisse eines Stresstests vor, der in verschiedenen Szenarien die Folgen eines Gas-Streits mit Russland simulierte. Am stärksten betroffen wären zunächst Bulgarien, Finnland und Estland. Im schlimmsten Szenario, ein kompletter Lieferstopp für ein halbes Jahr, würde auch Rumänien und den übrigen Ländern des Baltikums mindestens 40 Prozent des Energiebedarfs fehlen. Ein Großteil der Fehlmengen könnte zwar durch Importe von verflüssigtem Erdgas (LNG) ausgeglichen werden, heißt es in dem EU-Bericht, das würde allerdings erhebliche Mehrkosten bedeuten, denn auch Asien kauft LNG auf dem Weltmarkt.
Griechen sind weltweit die wichtigsten Reeder, sie kontrollieren auf den Weltmeeren etwa 12 Prozent aller Schiffe. Die massive Steuerhinterziehung in Griechenland ist einer der Gründe für die Krise des Landes, das Geld ging jedoch nicht verloren: aktuell wetten griechische Reeder weiter auf die Volatilität der Energiepreise, sie nahmen 2014 die Rekordsumme von 1,8 Milliarden US$ in die Hände, um elf neue Flüssigerdgastanker zu bestellen. Ihr Kalkül: Sinkende Gaspreise befeuern die Nachfrage nach dem Transport von LNG. Zudem wollen die europäischen Staaten unabhängiger von russischem Gas werden, das über Pipelines geliefert wird.
Ab 2018 dürften darüber hinaus die USA Flüssigerdgas in alle Welt exportieren. Die drei südkoreanischen Werften, die die Tanker bauen, sollen voll ausgelastet sein. Die Preise für künftige Aufträge sind bereits um ca. 20 Millionen Dollar je Schiff angestiegen. Die Gründe: Die Nachfrage boomt und Zahlungsflüsse über zwischengeschaltete Offshore-Firmen ermöglichen stattliche Zusatzgewinne für die Vermittlung von Aufträgen. Bis 2018 und 2019 sind immerhin Auslieferungen von über 30 LNG-Tankern aus den südkoreanischen Werften angesetzt, reichlich Gelegenheit für entsprechende Provisionsvereinbarungen. Unternehmen wie BP, Mitsui (Japan), Petronas (Malaysia) und griechische Reeder sind unter den Hauptauftraggebern.
Mitte letzten Jahres wurden die über ein Jahr geschlossenen libyschen Öl-Exportterminals Es-Sider und Ras Lanuf wieder geöffnet. Kurz darauf verschiffte Libyen wieder Öl über das Mittelmeer nach Europa. Nigerianisches Öl, das schon in den USA und Kanada nicht mehr gefragt war, fand nun auch in Europa keine Käufer mehr. Immer mehr Lieferungen gingen daher nach China. Seit Mitte Dezember kämpfen jedoch islamistische Milizen in Libyen, es ringen zwei Regierungen um die Macht. Seitdem ist die Ölproduktion wieder um mehr als die Hälfte zurückgegangen.
In Saudi-Arabien kommt diese terroristische Auseinandersetzung gerade recht, denn man wollte grundsätzlich verhindern, dass Nigeria dauerhafte Beziehungen zu den Raffineriekunden in Asien aufbaut. Die stärksten Zuwächse haben dort Importe aus Nigeria, Aserbaidschan und Angola erfahren. Das Königreich flutete den Markt mit einer Art Ramschverkauf. Die Saudis senkten ihren offiziellen Rohölpreis in Asien, innerhalb einer Woche zogen Iran und Kuwait nach.
Nigerias Probleme ähneln der Misere in Russland – einem weiteren großen Ölexporteur, dessen Wirtschaft unter dem fallenden Ölpreis ebenso leidet wie unter Wirtschaftssanktionen des Westens im Zuge der Ukraine-Krise. Öl und Gas machen ca. 96 Prozent der nigerianischen Exporterlöse aus, in Russland sind es ca. 66 Prozent und der Staatshaushalt ist zu 50 % von den Öleinnahmen abhängig. Für einen ausgeglichenen Haushalt wird ein Ölpreis von 115 US$ benötigt, in 2012 betrugen in Russland die Einnahmen aus Ölverkauf 290 Milliarden US$, aus dem Gasverkauf 68 Milliarden US$.
36 Prozent der europäischen Gasversorgung fließen durch Pipelines aus Russland, auch Deutschland importiert mehr als ein Drittel von dort, Ungarn mehr als 80, und die Slowakei hängt zu fast 92 Prozent von russischen Importen ab. Wichtiges Transitland ist die Ukraine.
Nach Schätzungen des Außenhandelsverbandes BGA gingen Russland bei einem Stopp der Energieimporte in die EU täglich Einnahmen von 100 Millionen US$ verloren.
Katars Zeit als Erdölexporteur begann bereits in den 1950er Jahren, damals noch als britisches Protektorat. Ausgebeutet wurden die Quellen von der Anglo-Iranian Oil Company, dem Vorgänger von BP. Richtig begann der Boom mit der Unabhängigkeit 1971 und der sich anschließenden Verstaatlichung der Ölproduktion 1974. Aktuell investiert Katar in den nächsten Boom: Erdgas. Vor der Küste Katars liegt das größte Erdgasfeld der Welt. Diese riesigen Reserven möchte Katar seit langem an das europäische Pipeline-Netzwerk andocken, die Umsetzung birgt „nur“ zwei Probleme: Syrien und der Irak als mögliche Transitländer einer geplante „Katar-Türkei-Pipeline“.
Verflüssigtes Erdgas wäre für das Emirat Katar der „Plan B“. Erst war es der syrische Diktator Baschar al-Assad, der unter dem Einfluss Russlands und Irans dem Vorhaben im Wege stand, nun sind es die Terrorgruppen des IS, die man in Katar zwar wegen ihrer Glaubensorientierung als salafistische Sunniten grundsätzlich gutheißt, aber wegen der täglichen Terrormeldungen nunmehr offiziell ablehnt und im Verbund mit den USA und der internationalen „Koalition der Willigen“ bekämpft.
Eine ähnliche Dynamik und Tragik spielt sich in Nigeria ab, Menschenrechtsverletzungen, die militante islamistische Gruppierung Boko Haram greift sowohl Zivilisten als auch nigerianischen Sicherheitskräfte an, bombardiert Märkte, Moscheen und Schulen und entführt Hunderte Mädchen und junge Frauen.
Kriege werden weiterhin aus rein wirtschaftlichem Interesse, um Öl und Gas, geführt! Wollen wir das?
Grundlagen, insbesondere die moralischen, müssen (wieder) geschaffen werden, um die soziale und politische Ordnung auf eine nachhaltige Basis zu stellen.
Politik begeht oft den Fehler, Klimaschutz und Erneuerbare Energien als ein Luxusproblem für bessere Zeiten zu betrachten, sie sind jedoch weiter ein wichtiger Gradmesser für weltweit notwendiges politisches Handeln, auch für einen Weg aus weltweiten Krisen und Chaos in Regionen der geopolitischen Interessen großer Konzerne und Staaten.
Öl, das wir nicht verbrauchen, müssen wir auch nicht auf der Arabischen Halbinsel, Afrika und Russland einkaufen. Ein friedlicher und klimaverträglicher Wachstumspfad würde weltweit Investitionen in Höhe von ca. 90 Billionen US$ in städtische Infrastruktur, Energiesysteme und den Verkehrssektor auslösen - Frieden, Arbeitsplätze, bessere Gesundheit, Produktivität und Lebensqualität wären das Ergebnis.
Im Kontext unserer Ressourcenabhängigkeit erscheinen so manche Kostendiskussionen rund um die deutsche Energiewende regelrecht kleinkariert: innerhalb der EU geben wir täglich eine Milliarde Euro für den Import von fossilen Ressourcen aus!
Der aktuelle Energieausblick 2035 der BP geht von folgender Marktentwicklung aus:
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